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Die ehemalige Kurfürstliche Burg Boppard

Die am Rheinufer innerhalb der Stadt gelegene ehemalige Kurfürstliche Burg in Boppard wurde ab 2010 nach vielen Jahren der Vorbereitung einer kompletten Instandsetzung und technischen Modernisierung unterzogen. Damit einher ging unter anderem die sichtbare Veränderung der Hauptfassade zum Rhein hin.

In der entwicklungsgeschichtlich interessanten Anlage hat sich ein hochkarätiger Baubestand mit mittelalterlichen Wandmalereien und frühbarocken sogenannten Kölner Decken erhalten. Der zur Sicherung des Rheinzolls angelegte Wehr- und Wohnturm des 13./14. Jahrhunderts wurde in mehreren Abschnitten um 1700 durch die beiden kurtrierischen Erzbischöfe Karl Kaspar von der Leyen und Johann Hugo von Orsbeck umbaut und so zu einer frühbarocken Vierflügelanlage erweitert. Nach Auflösung der Kurfürstentümer erfuhr die Anlage im 19. Jahrhundert vielfältige Umnutzungen wie Magazin, Lazarett, Stadtgendarmerie, Strafanstalt und letztlich eine Aufteilung in einen staatlichen und einen städtischen Teil. Ersterer beherbergte das Gericht und die Steuerverwaltung, in zweitem war seit 1951 das städtische Museum untergebracht. Mit den seinerzeit erfolgten Teilzerstörungen und Veränderungen, vor allem der Dachbereiche an den Eckpavillons, und einer Bresche im rheinseitigen, die Stadtansicht prägenden Nordflügel, der sogenannten Franzosenbresche, hatte die Anlage bis in unsere Zeit überdauert. Die Baulücke war zuletzt unzulänglich mit einer niedrigen Mauer, hinter der sich ein Toiletteneinbau befand, geschlossen. Überlegungen zu einer Sanierung und Umgestaltung der Burg, die sich mittlerweile ganz in städtischer Hand befand, gab es seit dem Ende der 1990er Jahre. Auf Anraten der Denkmalpflege lobte die Stadt Boppard 2000/2001 einen zweiphasigen Ideen- und Realisierungswettbewerb aus, in dem das Schließen der Lücke ohne weitere architektonische Vorgaben als eine der Aufgaben gestellt war. Ziel war die Wiederherstellung der „potenziellen Einheit“ der für die Gesamtwirkung und Erscheinung des Baus und der gesamten Stadtansicht so wichtigen Rheinfassade. Da eine vollständige Wiederherstellung der barocken Ansicht mitsamt den ehemaligen hohen Laternenhauben an den Eckpavillons nicht vorgesehen war, schied eine historisierende Lösung aus. Den ersten Platz erhielt das Architekturatelier Detmold/Berlin mit dem Vorschlag eines kubischen, ganz und gar modernen Fugenschlusses in Beton mit Glas- und Stahlfassaden. In den Plänen nahm sich dieser ganz filigran und durchsichtig gezeichnete kleine Baukörper gegenüber den bestehenden größeren und massiven Baukörpern völlig zurück und dominierte sie nicht. Der ehemals gestörte Rheinflügel war damit geschlossen, seine frühbarocke Erscheinung nicht denkmalbedrohlich beeinträchtigt, die „Spuren der Zeit“ waren nicht gelöscht. Aufgrund der statischen und lichttechnischen Erfordernisse mussten jedoch in der baulichen Umsetzung die Stahlteile des „Fugenschlusses“ massiver ausgeführt und die Glasscheiben getönt werden. Er hat sich dadurch von einem nahezu durchsichtigen Vorhang zu einem massiveren Baukörper von einer gewissen Selbstständigkeit gewandelt, der jedoch angesichts der bestehenden Größenverhältnisse noch immer als denkmalverträglich einzustufen ist. Der Anschluss an die bestehenden Mansarddächer, insbesondere in der Schräg- und Seitenansicht, bleibt aber problematisch. Die Bopparder Burg hat mit dem neuen Baukörper und der gesamten Instandsetzungsmaßnahme eine neue Zeitschicht erhalten. Die Zukunft wird erweisen, ob die momentan in der Öffentlichkeit als positiv bewertete Lösung mit ihrer reizvollen Spannung zwischen Neu und Alt Bestand haben wird.

Im Zuge der Gesamtinstandsetzung erfuhr auch die Fassadenfarbigkeit eine Veränderung. Überkommen war die gesamte Anlage mit einem neuen Zementputz mit rauer Oberfläche aus den 1970er Jahren mit weiß-roter Farbgebung ohne historischen Bezug. Alle älteren historischen Putze waren dabei entfernt worden. So war die Überraschung groß, als ein unter Dach befindlicher Putz- und Farbrest einen eindeutigen Beleg des ursprünglichen bauzeitlichen Aussehens in Weiß-Grau gab, in dem sich ganz einheitlich alle Flügel der Vierflügelanlage mitsamt dem hohen Turm in der Zeit um 1700 präsentiert hatten. Historische Ansichten zeigen, dass diese Gliederung bis in das 19. Jahrhundert hinein bestanden hatte. Diese eindeutige und klare Befundsituation im Zusammenhang mit der bis heute prägenden frühbarocken Gestalt der Anlage ließ die denkmalpflegerische Entscheidung zugunsten dieser Farbgebung fallen. All jene, die bis heute bei der Bopparder Burg an Mittelalter und damit an andere Farbkonstellationen denken, müssen sich nun umgewöhnen.

Auch im Inneren zeigt sich die Burg in verändertem Aussehen. Erhalten hatten sich die großzügigen bauzeitlichen Raumgefüge mit nachträglichen kleinteiligen Einbauten. Von ganz besonderer und überregionaler Bedeutung ist der sehr große Bestand an sogenannten Kölner Decken. Dabei handelt es sich um stuckierte Holzbalkendecken, die vor allem im 17. und bis in die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts in repräsentativen Bauten verwendet wurden; später wurden sie durch Flachdecken abgelöst. Ausgehend von Kölner Patrizierhäusern entwickelten sie sich zum „Exportschlager“ und kamen über die Trierer Erzbischöfe auch an den Rhein. Glücklicherweise hatte sich in Boppard der gesamte Farbfassungsbestand erhalten, der eine einheitliche bauzeitliche Farbgestaltung in Weiß-Grau zeigte. Aufgrund der großen Bedeutung der frühbarocken Raumstrukturen und der Kölner Decken sowie der sehr nachrangigen späteren Veränderungen wurde seitens der Denkmalpflege entschieden, die Säle und Kabinette mit Kölner Decken mitsamt farblicher Gestaltung wiederherzustellen. Alle übrigen Räume sind neutral gehalten.