Nik Bärtsch

Ekstase durch Askese
RITUAL GROOVE MUSIC, der Titel meiner ersten eigenen CD, ist zugleich Programm meines musikalischen Denkens. Die Musik ist geprägt von der Liebe zum architektonisch gegliederten Raum, zu repetitiven und reduktiven Prinzipien und zur rhythmischen Verzahnung. Ein Stück kann wie ein Raum betreten, bewohnt werden. Durch obsessive Drehmomente, Überlagerungen verschiedener Metren und Mikrointerplay bewegt sich die Musik fort und verändert ihre Zustände. Die Aufmerksamkeit wird auf die minimen Variationen und Phrasierungen gelenkt. Die Band wird so zum Integralen Organismus – wie ein Tier, ein Biotop, ein urbaner Raum. Man soll mit Ohren und Händen denken.
Diese Musik pflegen wir v.a. in drei verschieden ausgerichteten Formationen. Die Gruppe MOBILE spielt rein akustisch und tritt im Rahmen von bis zu 36-stündigen Musikritualen auf, in denen Licht und Raumgestaltung ebenfalls eine wichtige Rolle spielen. Das Zenfunk-Quartett RONIN ist im Gegensatz zu MOBILE beweglicher, angriffiger und geht live mit den Kompositionen freier um. Solo spiele ich meine Stücke am präparierten Flügel, gepaart mit Perkussion.
Improvisation spielt bei aller kompositorischen Strenge und Bündelung eine wichtige Rolle in unserer Musik. Einerseits werden Akzente, Ghostnotes und Variationen zwischen den Musikern hin und her geschickt; andererseits hat oft eine Stimme innerhalb einer Komposition eine grössere Freiheit als die anderen. Sie kann so die ausgeschriebenen Verzahnungen modular beleben. So entstehen Groovebiotope oder auch entleerte musikalische Areale von roher Poesie.
Mein Denken und meine Musik entwickeln sich aus der Tradition des urbanen Raums. Sie sind aus dem universellen Klang der Städte destilliert, nicht aus einer nationalen oder Stil-Tradition. Die Stadt in ihrer rauschhaften Vielfalt fordert die Fähigkeit zu fokussieren – Beschränkung aufs Wesentliche: Dosiert agieren, am richtigen Ort nichts tun. Diese Musik schöpft ihre Energie aus der Spannung zwischen kompositorischer Strenge und improvisatorischer Selbstüberlistung. Aus selbstgewählter Einschränkung entsteht Freiheit. Ekstase durch Askese.
Nik Bärtsch, Januar 2003
www.nikbaertsch.com 

Biografie:
Geboren 1971 in Zürich. Pianist, Komponist Geboren 1971 in Zürich. Pianist, Komponist und Produzent. Unterricht in Jazz-Klavier und Schlagzeug ab dem 8. Lebensjahr. 1997 klassisches Klavierdiplom an der Musikhochschule Zürich. 1998-2001 Studium der Philosophie, Linguistik und Musikwissenschaft an der Uni Zürich. 2003/04 halbjähriger Japanaufenthalt.
Arbeitet als Pianist und Komponist stets an seiner RITUAL GROOVE MUSIC. Leader von MOBILE (seit 1997) und dem Zenfunk-Quartett RONIN (seit 2001). Lehrauftrag für ‚Praktische Ästhetik‘ an der Musikhochschule ZH/Winterthur (2000-2003).
Mit Kaspar Rast zusammen Begründer der Montags-Konzertserie (seit 2004, www.montags.com). Mitbegründer des Musikclubs EXIL (2009, www.exil.cl). Interesse am Einfluss und der Kombination von Musik und Bewegung, speziell von folgenden Körpertechniken: Aikido, Feldenkrais, Gyrotonic (Workshopsangebote an Hochschulen, verschiedenen Institutionen und im eigenen Club seit 2002). Verschiedene Preise ab 1999.