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Interregnum und spätes Mittelalter

Zeitleiste

1247-1256

Wilhelm von Holland

1257-1272

Richard von Cornwall

1257-1275

Alfons von Kastilien

1273-1292

Rudolf von Habsburg

1292-1298

Adolf von Nassau

1298-1308

Albrecht I.

1308-1313

Heinrich VII.

Das Interregnum und der Aufstieg der Territorialstaaten

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Das Interregnum von 1245/50 bis 1273 war eine Zeit des Übergangs nach dem Ende der Stauferherrschaft bis zur Ausbildung der spätmittelalterlichen Reichsverfassung im 14. Jahrhundert.

Ob es, wie Friedrich Schiller schrieb, eine „schreckliche Zeit“ war, hängt wie immer auch vom Standpunkt des Betrachters ab. Allerdings gelang es den gewählten deutschen Königen in diesen Jahren nicht mehr, sich wie ihre Vorgänger vom Papst zum Kaiser krönen zu lassen. Dies lag auch daran, dass nach den Staufern keine starke Dynastie mehr zur Verfügung stand, um die Königswürde zu übernehmen. Zudem hatten die Königswähler wenig Interesse, starke und mächtige Herrscher zu erheben. Sie konnten auf Kosten schwacher Könige ihre eigene Macht ausbauen. Oftmals stritten in dieser Zeit zwei Könige um die Anerkennung.

Am Mittelrhein führte dies zu einem beträchtlichen Rückgang des Reichsgutes. Oft waren die Könige aufgrund finanzieller Nöte gezwungen, Teile dieses Gutes an mächtige, aufstrebende Territorialherren zu veräußern. Der Niedergang der Königsmacht erhöhte aber gleichzeitig die Bedeutung der „Rheinschiene“ für die deutsche Politik, denn vier der wichtigsten Königswähler kamen aus diesem Gebiet: der Erzbischof von Köln, der Erzbischof von Trier, der Erzbischof von Mainz und der Pfalzgraf bei Rhein. Ihnen gelang es, die eigene Macht zu stärken und letztlich über das Königtum zu entscheiden.

Natürlich versuchten die Könige, ihren Einfluss entlang des Rheins zu behaupten, und zeigten wie ihre Vorgänger, die Ottonen, Salier oder Staufer, Präsenz. Trotzdem konnten sie für Frieden und Rechtssicherheit nicht mehr garantieren. Für die Städte am Mittelrhein und ihre Bewohner waren dies entbehrungsreiche Jahre mit Fehden, Kämpfen und Zerstörungen.

In der mittelalterlichen Chronik des Thomas Wykes heißt es über die Zustände am Mittelrhein für das Jahr 1269: „Es ist ein wütender Wahnsinn, mit welchem die Deutschen von den unbezwingbaren Burgen aus, die sie an den Ufern des Rheines erbauen, ohne Rücksicht auf Ruhe und Frieden und gierig nach Erwerb oder vielmehr Erpressung von Geld, vor keiner Schandtat zurückschrecken. Die Schiffe, welche mit Lebensmitteln oder Waren aller Art den Fluss herabkommen, können den Burgen unmöglich ausweichen. Die Leute werden gezwungen auszusteigen und von jedem einzelnen werden ohne Scheu vor Gott oder dem König ganz unerhörte und unerträgliche Zölle erpresst.“ 
(zitiert nach Jörg Schwarz, Herrschaft und Herrschaftskonzeption des römisch-deutschen Königs Richard von Cornwall, in: Neugebauer, Richard von Cornwall, S. 86)

Kämpfe um Boppard und die schwindende Macht des Reiches

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Unmittelbar nach der Absetzung Kaiser Friedrichs II. durch den Papst 1245 entbrannten Auseinandersetzungen um das Erbe der Staufer.

Davon wurde auch der Mittelrhein in Mitleidenschaft gezogen. Als Wilhelm von Holland, der 1247 gewählte Gegenkönig, die Staufer am Mittelrhein angriff, stellte sich Boppard auf die Seite der Staufer. Dreimal, 1247, 1249 und 1250, scheiterte Wilhelm mit seinen Versuchen, die Stadt einzunehmen. Erst im Herbst 1251 gelang ihm schließlich ihre Besetzung. 1250 unterstützte der Trierer Erzbischof den König militärisch vor Boppard, was unter Umständen bereits auf das Interesse des einflussreichen Trierer Territorialherrn an der Entwicklung der Reichsstadt Boppard hindeutet. Vielleicht sah der Trierer ja hier schon eine Gelegenheit, vor dem Hintergrund der einsetzenden Thronwirren im Reich seine eigenen Interessen am Mittelrhein voranzutreiben.

1254 schlossen sich zahlreiche Städte, darunter auch Boppard, zum Großen Rheinischen Städtebund zusammen. Auf diesem Weg versuchten die Städte, ihre wirtschaftlichen Interessen zu wahren und die Handelswege zu schützen.

Richard von Cornwall

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1257 wurden gleich zwei deutsche Könige gewählt, die beide kaum über Besitz und Einfluss im römisch-deutschen Reich verfügten: König Alfons X. von Kastilien und Richard von Cornwall, ein Verwandter des englischen Königs.

Während Alfons von Kastilien niemals deutschen Boden betrat, versuchte Richard, der sich während seiner Regentschaft ausschließlich im Rheinland aufgehalten hatte, wenigstens dort sein Königtum zu etablieren. Richard verfügte zwar über bedeutenden Besitz in England und konnte beträchtliche Geldmittel einsetzen, er hatte aber keine unabhängige territoriale Machtbasis im Reich. Diese musste er sich erst erkämpfen. In den 15 Jahren seines Königtums verbrachte Richard alles in allem aber nur drei Jahre und neun Monate im Reich. Ein wichtiger Mosaikstein im Kampf um Einfluss und Macht am Rhein war der umstrittene Besitz von Boppard.

Boppard war zwischen den Anhängern und den Gegnern König Richards umkämpft. Noch 1257 erschien der neue König mit seinen wichtigsten Verbündeten vor den Toren der Stadt und konnte sie nach erfolgreicher Belagerung einnehmen. Die Quellen berichten auch von Kämpfen um die Bopparder Burg. Vieles spricht dafür, dass es sich dabei um den vor den Toren der Stadt gelegenen Königshof gehandelt haben muss, und nicht um die später so bezeichnete und in der Stadt gelegene Kurfürstliche Burg.

Dennoch kann man davon ausgehen, dass mit dem Bau der Kurfürstlichen Burg bereits in der Zeit Richards von Cornwall begonnen worden ist. Darauf weisen dendrochronologische Untersuchungen eines Teils eines Rüstholzes hin, das aus dem Mauerwerk des Turms stammt und auf die Jahre um 1265 deutet. Der Turm könnte dem Schutz der königlichen Zollstätte in Boppard gedient haben.

1260 und 1262 hielt sich Richard von Cornwall erneut in Boppard auf. Am 3. September 1262 stellte er eine Urkunde für das Kloster Marienberg aus. Die Förderung des Klosters machte deutlich, dass sich der König in der Tradition seiner staufischen Vorgänger sah, welche die Klöster in Boppard großzügig mit Privilegien ausgestattet hatten.

Rudolf von Habsburg und die Reichsinsignien

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Für jeden neu gewählten Herrscher war es wichtig, möglichst rasch in den Besitz der Reichsinsignien, vor allem der Heiligen Lanze und der Reichskrone, zu gelangen.

In einer Zeit, in der Symbole und visuelle Zeichen von großer Bedeutung waren, konnte er so die Rechtmäßigkeit seiner Königswürde eindrucksvoll demonstrieren. Dies galt in ganz besonderer Weise für die Zeiträume, in denen – wie im unruhigen Interregnum – die Königswürde zwischen zwei „gewählten“ Herrschern umkämpft war. Über lange Jahre hinweg wurden die Reichsinsignien auf der Reichsburg Trifels in der Pfalz aufbewahrt und gesichert.

1273 verständigten sich die vier rheinischen Kurfürsten, der Erzbischof von Mainz, der Erzbischof von Köln, der Erzbischof von Trier und der Pfalzgraf bei Rhein, in Boppard auf die Wahl des Grafen Rudolf von Habsburg zum deutschen König. Nach der Wahl am 1. Oktober 1273 in Frankfurt am Main wurden ihm in Boppard am 16. Oktober auf dem Weg zu seiner Krönung in Aachen die Reichsinsignien übergeben. In den Jahren seiner Herrschaft hielt er sich anschließend immer wieder in der Reichsstadt am Mittelrhein auf.

Heinrich VII. und das Ende Boppards als Reichsstadt

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Wenngleich die rheinischen Kurfürsten in dieser Zeit wichtige Entscheidungen für das Königtum trafen und sich wiederholt auch in Boppard versammelten, bedeutete dies nicht, dass das Königtum seine Macht am Mittelrhein wieder festigen konnte.

Die Verhältnisse hatten sich geändert: Die Kurfürsten waren nicht mehr vom König abhängig, sondern die Könige gerieten immer stärker in Abhängigkeit von den mächtigen Kurfürsten. Diese waren einflussreiche Territorialherren am Rhein, die ihren Besitz auch auf Kosten des Reichsgutes am Mittelrhein ausweiten wollten. Sie hatten kein Interesse an der Existenz von reichsfreien Städten, weil diese ihrem Einfluss entzogen waren. Auch an starken deutschen Königen war ihnen nicht besonders gelegen. 1308 einigte man sich daher auf die Wahl Heinrichs, eines Luxemburger Grafen, der wie seine Vorgänger über keine eigene große Hausmacht verfügte und deshalb keine Gefahr darstellte.

Viel zu gewinnen dagegen hatte der junge Erzbischof von Trier, Balduin von Luxemburg, ein Bruder Heinrichs und der eigentliche „Königsmacher“. In Boppard zeigten sich denn auch schon bald die Folgen der verwandtschaftlichen Nähe Balduins zum neuen König. Am 18. Juli 1312 verpfändete ihm Heinrich VII. die Städte Boppard und Oberwesel für 12 000 Pfund Heller oder 4 000 Mark Silber. Den Boppardern befahl er, Balduin künftig gehorsam zu sein. Damit endete letztlich die Geschichte Boppards als Reichsstadt, auch wenn die Stadt gegen ihren neuen Herrn aufbegehrte. Dieser stieg zum mächtigsten Territorialherrn am Mittelrhein auf.

Der Bopparder Krieg

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Kurfürst Balduin ließ die in der Stadt gelegene Burganlage ausbauen, die bald den Namen Kurfürstliche Burg erhielt.

Den widerspenstigen Bopparder Bürgern sollte sie Tag für Tag sichtbar vor Augen führen, dass der Kurfürst von Trier neuer Stadtherr war und die Zeiten der Unabhängigkeit der Vergangenheit angehörten. Die Bopparder brauchten allerdings viel Zeit und einen Krieg, um sich den neuen Umständen zu fügen.

1497, also lange nach der Verpfändung an Balduin von Trier, erhob sich die Stadt gegen den Trierer Landesherrn. Verlauf und Ausgang des Konfliktes zeigen eindrucksvoll, wie sehr sich die Kräfteverhältnisse inzwischen gewandelt hatten. Der Aufstieg der Territorialherren und die Einverleibung früherer reichsfreier Städte in ihren Herrschaftsbereich ließen sich nicht mehr rückgängig machen. Der Trierer Kurfürst versammelte eine imposante Streitmacht vor den Toren Boppards: Rund 12 000 Mann und mehr als 50 Kanonen und Geschützen hatte die Stadt nichts ernsthaft entgegenzusetzen. Nach kurzem Beschuss wurde die Stadt von den Truppen des Kurfürsten eingenommen. Das Grabmal des Ritters Siegfried von Schwalbach, der am 27. Juni an der Lyhenpforte am Balz erschossen wurde, kann noch heute in der Karmeliterkirche besichtigt werden.

Weiterführende Literatur

Bookmann, Hartmut: Stauferzeit und spätes Mittelalter. Deutschland 1125 – 1517. Berlin 1987.

Fried, Johannes: Karl der Große. Gewalt und Glaube. Eine Biographie. München 2013. (Hier insbesondere die Ausführungen zum capitulare de villis von Karl dem Großen, S.209)

Götz, Ernst und Susanne Kern: Die Pfarrkirche St. Severus in Boppard. Köln 2013.

Jussen, Bernhard: Die Franken. Geschichte, Gesellschaft, Kultur. München 2014.

Kaufhold, Martin: Interregnum. Darmstadt, 2. erg. Auflage, 2007.

Keller, Hagen: Die Ottonen. München, 3. durchges. Auflage, 2006.

Laudage, Johannes: Die Salier. Das erste deutsche Königshaus. München 2006.

Laudage, Johannes: Otto der Große (912 – 973). Eine Biographie. Regensburg 2012.

Mißling, Heinz E. (Hg.): Boppard. Geschichte einer Stadt am Mittelrhein. Bd. 1. Boppard 1997, darin vor allem der grundlegende Beitrag von Otto Volk über das Mittelalter, S. 61 – 409.

Mißling, Heinz: Karmeliterkirche und ehemaliges Kloster Boppard. Regensburg 2005.

Neugebauer, Anton, Klaus Kremb und Jürgen Keddigkeit (Hg.): Richard von Cornwall. Römisch-deutsches Königtum in nachstaufischer Zeit. Kaiserslautern 2010.

Rader, Olaf B.: Friedrich II. Der Sizilianer auf dem Kaiserthron. Eine Biographie. München, 2. durchges. Auflage, 2010.